Wir sind die Gruppe Klein-Nizza – radikale Linke Würzburg. Wir wollen die Zukunft aktiv und emanzipatorisch mitgestalten. Die Grundlagen, wie wir das erreichen wollen, haben wir in unserem Selbstverständnis formuliert:
Wir sind eine linksradikale Gruppe aus Würzburg, welche sich nach einer längeren Auseinandersetzung um Grundlagen, Schwerpunkte und Handlungsmöglichkeiten im Oktober 2020 aus Einzelpersonen zusammengefunden hat.
Wir verstehen uns als Teil einer undogmatischen, radikalen Linken, die sich nicht mit den vorherrschenden Zuständen abfinden kann und will. Wir wollen nicht mitansehen, wie der permanente Verwertungsdruck des Kapitalismus zu Ausbeutung, Armut und Umweltzerstörung führt, wie patriarchale Gewalt, Sexismus und rassistische Diskriminierung zum Alltag gehören und die parlamentarischen Antworten auf diese Zustände entweder nicht vorhanden sind, oder sich auf oberflächliche Auseinandersetzungen beschränken, auch da sie im Rahmen der parlamentarischen Politik schlicht nicht in der Lage sind, Antworten auf grundsätzliche Fragen, wie z.B. der Frage nach Eigentum von Produktionsmitteln, zu bieten.
Dem wollen wir eine gemeinschaftliche Organisierung entgegensetzen, die sich im Austausch und in Zusammenarbeit mit anderen Gruppen, Initiativen und Personen entwickelt. Wir wollen eine linksradikale Gesellschaftskritik organisieren, die sowohl die Auswirkungen der gegenwärtigen kapitalistisch-patriarchalen Gesellschaftsordnung auf Einzelne, als auch auf unser soziales Zusammenleben, auf die Zerstörung der Umwelt oder auf die Ausbeutung der Länder des globalen Südens zeigt. Die aufzeigt, dass Konkurrenz, Armut, Vereinsamung und Ausbeutung nicht zwangsläufig existieren müssen, sondern durch die Art und Weise entstehen, wie unsere Gesellschaft aufgebaut ist. Auf Grundlage dieser Kritik wollen wir praktisch für eine antiautoritäre, von unten organisierte Gesellschaft kämpfen, in der wir alle solidarisch und gemeinsam wirtschaften, handeln und leben.
Dieser Kampf beinhaltet natürlich auch Abwehrkämpfe gegen Faschist:innen. Wir stehen im Widerstand zu jeglichen faschistischen Ausprägungen, Strömungen und gesellschaftlichen Ansätzen und bekämpfen diese. Unser Antifaschismus ist internationalistisch und soll sich nicht nur auf die Auseinandersetzung mit der deutschnationalen und neuen deutschen Rechten beschränken, sondern auch nicht-deutschen, faschistischen Bewegungen entgegentreten; vor allem, wenn diese auch im deutschsprachigen Raum aktiv sind. Auch religiös-fundamentalistischen Strömungen gilt es dabei entschieden entgegenzutreten.
Gleichzeitig stehen wir gegen autoritäre Auswüchse und Mechanismen in bürgerlichen Gesellschaften, die die freie Entfaltung des Menschen verunmöglichen und gesellschaftliche Errungenschaften einschränken.
Antifaschismus muss theoretisch und praktisch sein. Er muss konsequent und unbequem sein. Er muss da hinschauen, wo sonst keine:r hinschaut. Er darf nicht außen vor lassen, dass der Kapitalismus die wichtigste Grundlage für das Bestehen von neonazistischen Strukturen ist. Sowohl in der Analyse faschistischer Ideologien und Zustände, wie auch in konkreten Handlungsansätzen, also auch dem antifaschistischen Selbst- und Fremdschutz, stehen wir an der Seite aller Betroffenen von menschenfeindlicher Gewalt und Ausgrenzung, lokal und international.
Dazu gehört natürlich auch der entschiedene Kampf gegen jeden Antisemitismus. Mit dem Sieg über das nationalsozialistische Deutschland, dessen antisemitischer Vernichtunswille in der nahezu vollständigen Auslöschung des europäischen Judentums in der Shoah gipfelte, wurde der Antisemitismus nicht besiegt. Der antisemitische Anschlag in Halle oder die in Zeiten der Krise erstarkenden antisemitischen Verschwörungstheorien zeigen deutlich, dass jüdisches Leben in Deutschland und Europa nach wie vor gefährdet ist.
Bedingt durch die derzeitigen gesellschaftlichen Zustände sehen wir in Antifaschismus nicht eine Möglichkeit zur Rettung der Welt, sondern als notwendigen Teil des Kampfes für eine andere Gesellschaft. Auch stellt er eine Chance dar, eine antifaschistische Hegemonie herzustellen, die Freiräume schafft. Freiräume, in denen Neonazismus und Menschenfeindlichkeit die Freiheit der Einzelnen nicht bedrohen.
Wir halten die Annahme für falsch, dass das Patriachat mit all seinen Auswirkungen nur ein Nebenwiderspruch des kapitalistischen Systems ist, der sich erübrigt, wenn nur erst der Kapitalismus überwunden ist.
Wie auch bei anderen Unterdrückungsformen (Rasissmus, Klassismus etc.) ist zwar klar, dass auch das Patriachat erst in einer grundsätzlich anders organisierten Gesellschaft vollständig überwunden werden kann, was aber keineswegs bedeutet, dass feministische Kämpfe hier und jetzt nicht absolut notwendig sind. Die alltägliche Gewalt gegen Frauen, Inter- und trans* Personen bis hin zu Femiziden, sexistisches Verhalten und toxische Männlichkeit, die größtenteils von Frauen geleistete Reproduktionsarbeit, ungleiche Bezahlung, klar definierte Rollenbilder im Bezug auf Geschlecht, Sexualität oder Beziehung sowie die Verwehrung körperlicher Selbstbestimmung für Schwangere sind nur ein Teil der Gesamtscheisse, die das Patriachat hervorbringt und die es hier und jetzt zu bekämpfen gilt. Neben einer praktischen, feministischen Politik wollen wir auch theoretisch zum Themenkomplex Feminismus, Kapitalismus und Patriachat arbeiten.
Wir wollen den rassistischen Normalzustand in Deutschland bekämpfen, einem Normalzustand, mit dem Schwarze Menschen, People of Color und Menschen, denen aus anderen Gründen zugeschrieben wird, „nicht-deutsch“ zu sein, jeden Tag konfrontiert sind. Von der menschenverachtenden europäischen Asylpolitik, über Racial Profiling und rassistischer Polizeigewalt, hin zu struktureller Ungleichbehandlung bei Behörden, auf dem Arbeitsmarkt oder bei der Wohnungssuche, lassen Menschen jeden Tag spüren, dass sie kein Teil von „unserer“ Gesellschaft sind.
So lässt Europa People of Colour im Mittelmeer ertrinken, während weiße Tourist:innen geretten werden; gibt Asylbewerber:innen kein Recht auf ein finanzielles Existenzminimum oder eine Krankenversicherung; gründet ein eigenes Rechtssystem für Migrant:innen und behandelt nicht-Weiße pauschal als kriminell.
Die Linke hierzulande mobilisiert sich immer noch überwiegend aus der weißen, deutschen Mittelschicht; für viele ist linksradikale Politik eine vorübergehende Lebensphase. Wir möchten als Gruppe aktiv daran arbeiten, unsere Struktur so zu gestalten, dass sie auch für Menschen anschlussfähig ist, die nicht jung, (cis-)männlich, weiß und akademisch sind. Das bedeutet, dass wir auch innerhalb unserer Gruppenstrukturen antirassistisch und feministisch arbeiten, unsere eigene Verstrickung in Machtverhältnisse kritisch reflektieren wollen und unsere Arbeit auch an den realen Problemen marginalisierter Gruppen ausrichten.
Dass die Verhältnisse, in denen wir leben, ungerecht, unterdrückerisch und kompliziert sind, ist offensichtlich. Trotzdem ist es weder eine geheime Weltverschwörung, die uns alle unterdrücken will, noch sind es die gierigen Banker:innen oder die korrupten Politiker:innen. Es sind die ökonomischen Grundlagen unseres Wirtschaftssystems, des Kapitalismus.
Ziel des kapitalistischen Systems ist es, Profit zu erwirtschaften. Die Gesellschaft und das Leben der Einzelnen sind diesem Zweck unterworfen. Güter werden im Rahmen dieser Wirtschaftsweise nicht produziert, um gesellschaftliche Bedürfnisse zu befriedigen, sondern um als Ware verkauft zu werden, wovon hauptsächlich die Wenigen profitieren, die diese Güter von anderen fertigen lassen. Anstatt gemeinsam bedarfsgerecht zu wirtschaften, wird so nur das produziert, was Profit verspricht.
Unsere derzeitige Art zu wirtschaften ist perspektivlos und selbstzerstörerisch. Dabei findet das kapitalistische System global unterschiedliche Ausprägungen, von Gesellschaften der Ungleichheit bis hin zu stark rechts- und sozialstaatlichen Systemen. Allerdings liegt allen diesen Formen die Maxime des Maximalprofits und dem ewigen Wachstum, durch Ausbeutung von Mensch und Umwelt, zu Grunde. Der Staat, egal wie liberal er sich zeitweise geben mag, findet seine Hauptaufgaben darin, die Grundlagen des kapitalistischen Systems zu erhalten und in Krisenzeiten nach innen autoritär zu verteidigen, sowie im internationalen Konkurrenzkampf der kapitalistischen Staaten möglichst geeignete Bedingungen für das heimische Kapital zu gewährleisten.
Um dem deutschen Kapital sein stetiges Wachstum zu gewährleisten führt der deutsche Staat imperialistische Kriege, schweigt zu schweren Menschenrechtsverletzungen anderer Staaten oder unterstützt undemokratische Regime-Changes, falls sie neue Investitionsmöglichkeiten eröffnen könnten.
Für uns ist klar, dass Menschen und Umwelt vor Profitmaximierung stehen müssen. Wer glaubt, aus dem schlechten Kapitalismus mit Hilfe von „Lobbyregistern“, „demokratischen Banken“ und „Gemeinwohlpunkten“ eine gute Marktwirtschaft machen zu können, muss scheitern.
Das gute Leben für alle ist erreichbar. Aber nur, wenn wir über den Tellerrand von Nationalstaat, Markt und Kapital hinausschauen und neue Wege einer bedürfnisgerechten Produktion und eines solidarischen Zusammenlebens gehen. Dies ist für uns nur gegen den Staat und seine autoritären Institutionen zu erreichen, und zwar indem wir gemeinsam in sozialen, ökologischen, feministischen und antirassistischen Kämpfen arbeiten, uns vernetzen und dazu beitragen, eine reale Gegenmacht zu den bestehenden Verhältnissen aufzubauen.
zuletzt aktualisiert Dezember 2020
Warum Klein-Nizza?
Klein-Nizza ist ein idyllischer Teilabschnitt des Ringparks in Würzburg. Gemäß der Devise „Her mit dem schönen Leben“ wollen wir ein Klein-Nizza für jede:n.