Am 02.07.2021 riefen wir mit den Gruppen Antifa Würzburg, Schwarzlicht Würzburg, Gegen_Gewalt, Fridays for Future Würzburg, Ende Gelände Würzburg, mehrals16a, Seebrücke Würzburg, Sea-Eye Würzburg und Hermine e.V. zu einer Gedenkkundgebung für die Opfer des Attentats am 25. Juni, Christiane H., Johanna H. und Steffi W, in Würzburg auf. Wir veröffentlichen hier einen Bericht der Genoss:innen von Schwarzlicht Würzburg, sowie das gemeinsame Statement der organisierenden Gruppen:
Eine Woche nach der schrecklichen Gewalttat kamen vergangenen Freitag, dem 02.07.2021, fast 250 Menschen bei einer Gedenkveranstaltung zusammen, um ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen. Aufgerufen hatte ein Bündnis verschiedener Würzburger Gruppen, unter anderem auch Schwarzlicht Würzburg.
Das gemeinsame Statement, das direkt am Anfang verlesen wurde, setzte gezielt die Opfer des Anschlags und nicht den Täter in den Mittelpunkt. In Anlehnung an die saytheirnames Kampagne nach dem Anschlag in Hanau wurden die Namen der Toten Christiane H., Johanna H., und Steffi W. vorgelesen. Eine zentrale Forderung war des Weiteren Aufklärung über das Versagen der Behörden, die den Täter engmaschiger hätten betreuen müssen. Am Schluss wurde noch einmal klargestellt, dass Rassismus bzw. rassistische Instrumentalisierung, wie sie unter anderem die Alternative für Deutschland betreibt, nicht die Antwort auf Islamismus ist und den mutigen Menschen gedankt, die den Täter davon abhielten noch mehr Menschen zu ermorden. Nach dem gemeinsamen Statement wurde eine Schweigeminute gehalten.
Anschließend hielt Schwarzlicht Würzburg eine Rede. Diese thematisierte die psychischen Folgen des Anschlags und wie wichtig es ist, der Trauer und der Wut Raum zu geben. Es wurde auch die Zufälligkeit der Tat angesprochen, dass es theoretisch jede:n hätte treffen können, was die Verarbeitung des Geschehenen noch schwieriger und schmerzhafter macht.
Danach kam ein Redebeitrag der Antifa Würzburg. Die Rednerin machte darauf aufmerksam, dass die Attentäter von Halle, Hanau, Christchurch, Toronto und höchstwahrscheinlich auch Würzburg ein zutiefst misogynes Frauenbild hatten, das sowohl dem Islamismus als auch dem Faschismus inhärent ist.
Außerdem erwähnte sie das Statement von Christian Schuchardt, der Deutsche nach der NS-Zeit mit geflüchteten Somalier:innen gleichgesetzt hatte. Sie wies auf die Geschmacklosigkeit dieser Aussage hin.
Im Anschluss hielt Hermine e.V. eine Rede. Die Rednerin rief zu Zusammenhalt auf und erwähnte noch einmal das couragierte Verhalten vieler Mitbürger:innen, deren Einsatz schlimmeres verhindert hat.
Die letzte Rede hielt das Bündnis für Zivilcourage. Die Redner:innen bedankten sich noch einmal ausdrücklich bei den Rettungskräften, psychologischen Begleiter:innen und Seelsorger:innen. Sie forderten außerdem alle Würzburger:innen dazu auf, wachsam zu sein und Hass und Diskriminierung dem Ombudsrat über „Würzburg schaut hin“ zu melden.
Im Anschluss der Veranstaltung konnten die Teilnehmenden sich Blumen und Kerzen nehmen und diese an der Gedenkstätte am Barbarossaplatz niederlegen.
Die Resonanz auf die Veranstaltung letzten Freitag zeigte, wie wichtig es war und ist auch jungen Menschen einen Raum zum Trauern zu geben. Die Ereignisse des 25.06.2021 werden Würzburg noch über lange Zeit beschäftigen.
Mögen Christiane H., Johanna H. und Steffi W. in Frieden ruhen.
Link zum Artikel mit mehr Bildern: https://schwarzlicht.org/p/twitter/2021-07-05-1412118436906422273.html
Gemeinsames Statement der organisierenden Gruppen:
Heute gedenken wir Steffi W., die Besorgungen für die Hochzeit einer Freundin erledigen wollte. Ermordert mit 24 Jahren.
Heute gedenken wir Christiane H., die bald eine Stelle als Deutschlehrerin antreten wollte.
Ermordet mit 49 Jahren, während sie das Leben ihrer elfjährigen Tochter rettete.
Heute gedenken wir Johanna H., Rentnerin.
Ermordet mit 82 Jahren, als sie beim Angriff auf Christiane und ihr Kind eingreifen wollte.
Drei Frauen wurden ermordet. Fünf weitere und zwei Männer überwiegend schwer verletzt. Inzwischen befinden sich alle außer Lebensgefahr.
Drei Frauen, deren Leben gewaltsam endete. Sieben Menschen, deren Leben nicht mehr so sein wird wie vorher. Angehörige, deren Trauer und Schmerz unvorstellbar ist. Eingreifende, Zeug:innen und Ersthelfende, Würzburger:innen, im Schock, in Trauer, auf der Suche nach Antworten. Wie begreifen, was so unverständlich scheint.
Wir gedenken heute Steffi W., Christiane H. und Johanna H.
Aber gleichzeitig fordern wir auch Aufklärung und Antworten. Wir fordern Aufklärung von den Behörden über ihr Versagen.
Der Täter rief „Allahu akbar“. Der Täter ermordete gezielt Frauen. Der Täter sieht seinen „Dschihad“ verwirklicht.
Er war seit Herbst 2015, seit einem Vorfall in seiner damaligen Unterkunft im Erzgebiergskreis als gewaltbereit bekannt. Seine Akte bei der Stadtverwaltung ist jedoch nie aus Chemnitz in Würzburg angekommen.
Seine psychische Verfassung, seine psychotischen Wahnvorstellungen in Verbindung mit einer massiven Suchterkrankung, waren bekannt. Ein von der Staatsanwaltschaft Würzburg beauftragtes psychatrisches Gutachten, nachdem der Täter im Januar Menschen in seiner Unterkunft mit einem Messer bedrohte, gibt es bis heute nicht.
Als Kind soll er für die Al-Shabaab in Somalia gemordet haben, das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt.
Wie kann es sein, dass ein Mensch, über den dies alles bekannt ist, alleine in einer städtischen Obdachlosenunterkunft landet, in der so gut wie keine sozialarbeiterische oder psychologische Begleitung gewährleistet wird. Zusätzlich lehnte das Amtsgericht eine von einer psychiatrischen Einrichtung angeregte Betreuung ab, da hierzu trotz des offenkundigen Krankheitsbilds und den vorhergegangenen Vorfällen kein Anlass bestanden habe.
Das ist institutionelles Versagen!
Die psychische Verfassung kann die Erklärung für eine Affekthandlung sein, sagt aber nichts über die ideologische Motivation dahinter aus. Es braucht keinen Befehl, um im Namen des Dschihad zu morden.
War die Tat ein islamistisches Attentat und ein Femizid? Die Ermittlungsbehörden deuten es an, es scheint wahrscheinlich.
Wir gedenken heute Steffi W., Christiane H. und Johanna H.
Die AfD und andere (extreme-) Rechte behaupten, das selbe zu tun. Jedoch bedienen sie sich der Opfer, um ihre rassitische Hetze gegen Geflüchtete, gegen Menschen muslimischen Glaubens, zu verbreiten. Rassismus ist keine Antwort auf Islamismus!
Viele mutige Menschen stellten sich dem Attentäter in den Weg. Menschen wie Chia Rabiei. Ihnen und den Ersthelfenden gilt unser Dank, weiteres verhindert zu haben.
Unser Mitgefühl und unsere Solidarität gilt den Angehörigen und Betroffenen
Wir gedenken heute Steffi W., Christiane H. und Johanna H.
Say their names!