Am letzten Samstag fand in Würzburg die 3. lockdown capitalism Demonstration „Gegen Ausgangssperren – für den Erhalt der Kultur nach Corona“ statt, zu der wir ebenfalls aufgerufen haben. Wir veröffentlichen hier einen Bericht der Genoss:innen von Schwarzlicht Würzburg:
Am Samstag, den 06.02.2021, fand von 20-22 Uhr die dritte „Lockdown Capitalism“-Demonstration in Würzburg statt. Etwa 150 Menschen gingen erneut – trotzt Kälte und Regen – auf die Straße.
Nach Pflegemangel (https://schwarzlicht.org/p/twitter/2021-01-24-1353436279254503424.html) und Intersektionalität (https://schwarzlicht.org/p/twitter/2021-02-01-1356307128626143232.html), stand diesmal der Erhalt der Kultur im Fokus.
Durch die Wahl der Uhrzeit sollte außerdem die ab 21 Uhr geltende Ausgangssperre kritisiert werden, die mehr eine Schikane als eine sinnvolle Maßnahme darstellt. Die Demonstrierenden sammelten sich zunächst am Bahnhofsvorplatz. Wie bereits die beiden Wochen zuvor, begann einer der Organisator:innen mit einer klaren Ansage und stellte klar, dass Personen aus dem Querdenken-Spektrum nicht erwünscht seien und der Demo verwiesen werden. Die Ausgangssperre sinnlos zu finden hieße nicht, gegen die Maßnahmen an sich zu seien. Die Demonstration setzte sich vielmehr für eine ZeroCovid-Strategie und kostenlose Masken für alle ein. „Wir sind Antifaschist:innen und dulden keinen Antisemitismus, keinen Geschichtsrevisionismus, kein Geschwafel von satanistischen Eliten oder sonstige Verschwörungserzählungen!“ Es folgte eine Rede von Ende Gelände Würzburg über die kapitalistischen Parallelen der Klimakatastophe und der Covid-19-Pandemie. „Die moralische Eigenverantwortung im Kapitalismus beginnt und endet mit dem Minus vor der Kontostandsanzeige.“ Sowohl Pandemie als auch Klimakatastrophe würden zudem auf dem Rücken des globalen Südens ausgetragen. Die Toten ein Opfer für Privatisierung & Wirtschaftswachstum. Mit dem Leid würden hohe Profite generiert, wie an Impfstoffpatenten oder dem Handel mit Wasser gut erkennbar sei. Trotzdem sei die Klimaproblematik im Zuge der Pandemie zunehmend aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden.
Auch auf Waldbesetzungen und dem harten polizeilichen Vorgehen dagegen wurde eingegangen. „Wir werden jeden einzelnen Hektar Wald, jeden Baum, jeden Ast bis zur letzten Sekunde verteidigen!“
Anschließend sammelten sich die Demonstrierenden hinter dem Front-Banner „Für eine lebenswerte Stadt – Kulturräume schaffen & erhalten“ und liefen los. Die etwa 150 schwarz gekleideten Demonstrierenden trugen zahlreiche (Hoch)Transparente, Fahnen und Schilder. Während die Demonstration auf der Juliuspromenade, vor dem Krankenhaus Juliusspital, vorbildlich leise – geradezu still – vorbeilief, schallten bald laute „A-Anti-Anticapitalista“ und „Make the richt pay for Covid-19“-Rufe durch die Innenstadt. Über die Karmeliten- und die Augustinerstraße ging es durch die Sanderstraße und über den Sanderring. Auf Würzburgs Bar- und Kneipenmeile erschallte es „Rettet die Kultur in dieser Krise – ran an den Reichtum heißt die Devise!“ Leider kam es schon wieder zu polizeilicher Repression, wie es in Würzburg im letzten Jahr scheinbar zur traurigen Tradition geworden ist. Ein Polizist, der immer wieder quer durch die Demonstration lief, rempelte einen Demonstrierenden an, da dieser ihm nicht schnell genug Platz machte. Daraufhin kam es zu einem Wortgefecht mit dem aggressiv auftretenden Beamten. Dem Genossen wurde vorgeworfen den Cop vorsätzlich angerempelt zu haben, woraufhin er in einem unübersichtlichen Moment die Demonstration verließ. Mehrere Polizist:innen verfolgten ihn jedoch und ein Fahndungsaufruf wurde herausgegeben. Schließlich wurden Personalien festgestellt und eine Anzeige geschrieben. Wir verurteilen erneut das aggressive und repressive Auftreten der Polizei gegen linke Demonstrierende in Würzburg und sprechen dem betroffenen Genossen unsere vollste Solidarität aus! Als die Demonstration an einer schlagenden Burschenschaft in der Sanderglacisstraße vorbeikam, kam es kurz zu verbalen Auseinandersetzungen mit Burschis, die auf einem Balkon standen. Schließlich erreichte der Demozug den Willy-Brandt-Kai unterhalb der Löwenbrücke. Dort beschrieb ein:e Redner:in der „Initiative soziokulturelles Zentrum“ die schlechte kulturelle Lage in Würzburg. Mit der Schließung der Posthalle, der u.a. auch das „Immerhin“ zum Opfer fällt, gestalte sich die Lage zunehmend kritischer. Ein adäquater Ersatz in zentraler Lage sei nicht findbar. Doch nicht nur die Kultur, auch die parteiunabhängigen politischen Gruppen hätten ein massives Platzproblem. So würden die Räumlichen Kapazitäten der MiezeKoZe nicht für alle Gruppierungen ausreichen. Auch Bildungsarbeit, Küfas, Konzerte, Safer Spaces und anderweitige Begegnungsräume für strukturell benachteiligte Personen seien nicht umsetzbar. Außerdem verschlinge die Miete einen Großteil der mühsam zusammengetragenen Spenden. Während die Innenstädte schon vor der Corona-Krise hauptsächlich von Ketten geprägt waren, müssen nun insbesondere die letzten verbliebenen kleinen Läden schließen. Während die Stadt also – insbesondere für junge Leute – zunehmend unattraktiver wird, steigen die Mieten in unserer Studierendenstadt immer weiter an und werden so – gerade auch für Studierende und finanziell schwache Familien – schlicht unbezahlbar. Es solle „endlich ein Fokuswechsel von starker Konsumorientierung hin zu gesellschaftlichem und kulturellem Austausch angegangen werden.“ Es brauche „einen selbstverwalteten und diskriminierungssensiblen Ort, der sowohl politisch als auch zur freien und unkommerziellen Nutzung und für verschiedenste Bedürfnisse dient: Beispielsweise ein Seminarraum, Werkstätten, Proberäume, Raum für freie Bildung, ein Lesecafé, Infrastruktur für Geflüchtete, ein Umsonstladen und Arbeitsräume für Initiativen, die keinen Platz finden in der Stadt. Das bedeutet für uns, selbstbestimmt und selbstverwaltet antikapitalistische Alternativen zum allgemeinen Konkurrenzdenken zu leben und zu etablieren. Für antifaschistische Arbeit, für ökologischen und sozialen Wandel, sowie inklusive Kultur, z.B. in Form von Konzerten, Küfas und Kneipenabenden.
Kurz & gut – für ein Soziokulturelles Zentrum!“
Die Initiative stellte sich im Zuge der Pandemie neu auf und steht bereits in Kontakt mit der Stadt. Interessierte können sich gerne melden.
Nach einer von Musik begleiteten kurzen Aufbau-Pause, sang der Sänger der der Würzburger Punkband „Heavy Holes“ ein paar Lieder und begleitete sich selbst auf der Gitarre. Zum Abschluss spielten „Unordnungsamt“ und riefen zur vierten LockDownCapitalism-Demonstration nächsten Samstag – diesmal organisiert von Fridays for Future Würzburg – auf.
Link zum Artikel: https://schwarzlicht.org/p/twitter/2021-01-24-1353436279254503424.html
Solidarität mit dem von Repression betroffenen Genossen!